Zwischen grünen Pflanzen und grauen Daten
Datenschutz für Blogger – ein Selbstversuch
In meinem Berliner Schrebergarten sprach mich neulich meine Parzellennachbarin an, ob ich nicht mal das „grüne Zeug“ aus ihrer Hecke entfernen könne.

„Grünes Zeug“ – Wilder Wein
„Meinen Sie den wilden Wein ?“ fragte ich – „Is mir egal, wie ditt heisst, ditt Zeug macht mir meine Hecke kaputt !“ lautete die Antwort.
„Ditt Zeug macht mir meine Hecke kaputt !
„Na gut, dann reiße ich eben alles raus. Und dann wächst da auch nix mehr !“ antwortete ich gereizt und begann tatsächlich sofort, das „ grüne Zeug“ aus Nachbars Thujahecke herauszureißen. Insgeheim hatte ich vorgehabt, diese giftige Friedhofspflanze – die ironischerweise „Lebensbaum“ heißt und in unserer Kolonie schon seit einiger Zeit nicht mehr neu angepflanzt werden darf – einfach von meinem schönem wilden Wein überwuchern zu lassen. Aber mit Schrebergartennachbarn über den Zusammenhang von Wildwuchs und gesellschaftlichem Fortschritt zu diskutieren – aussichtslos.
Mit Schrebergartennachbarn über den Zusammenhang von Wildwuchs und gesellschaftlichem Fortschritt zu diskutieren – aussichtslos.
Wüterich
Meine Frau hatte mir noch hinterhergerufen „Nun warte doch erstmal !“ – und ich hätte auf sie hören sollen. Denn wilder Wein bildet starke Wurzeln, die sich nicht ohne weiteres herausreissen lassen. Solche Wurzeln muss man zuerst mit dem Spaten lockern, anstatt mit roher Kraft wild daran zu reißen !
Der plötzliche heftige Schmerz auf der linken Seite, genau über den kurzen Rippen, hat mich dann schließlich unsanft zu Boden gehen lassen. Nun lag ich hier im Beet, vor mir die immerhin vom wilden Wein befreite Hecke. „Bauchmuskelzerrung“ würde später die Diagnose lauten, bettlägerig und bewegungsunfähig sollte ich nun die nächsten Tage auf dem Sofa zubringen.
Datenschutz für Blogger – Selbstversuch

Wildkräuter rupfen
Was für eine gute Gelegenheit, nun auch mal meine beiden Blogs – Relais30.de und Ohrenmensch.de – gründlich umzupflügen und dort die „Wildkräuter“ herauszurupfen !
Im Kern will die neue europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ja erreichen, dass die Daten der Webseitenbesucher nicht ohne Einwilligung erfasst und weitergegeben werden. Doch was passiert eigentlich genau, wenn Besucher die Seiten meiner Blogs aufrufen ?
Datenschutz für Blogger – Geisterjagd

Ghostery – Logo
Um mir das im Detail anzuschauen, installiere ich in meinem „Firefox“-Browser das kostenlose Add-on „Ghostery“. Rufe ich nun mit Firefox eine beliebige Seite auf, zeigt dieses kleine Hilfsprogramm, welche sogenannten „Tracker“ auf der jeweiligen Seite aktiv sind. Die Tracker erfassen jeden Zugriff des Nutzers und leiten diese Daten für statistische Zwecke oder auch zu Werbezwecken weiter – „Stats“ und „Ads“.
Trackerflut
Mit „Firefox“ – oder einem anderen Browser – und dem „Ghostery“-Add-on kann man nun zum Spaß einmal diverse Seiten aufrufen: Shops und Wetterportale, aber auch Online-Ausgaben von Zeitschriften und Fernsehsendern. Dort sind manchmal mehr als 20 verschiedene Tracker aktiviert ! Auf Wunsch blockiert „Ghostery“ diese Tracker, in jedem Fall aber werden die kleinen Datenspione identifiziert. Kostenloses Zeitunglesen, im Gegenzug Werbedaten liefern – ein fairer Deal, aber müssen es wirklich so viele Tracker sein ?
Kostenloses Zeitunglesen, im Gegenzug Werbedaten liefern – ein fairer Deal, aber müssen es wirklich so viele Tracker sein ?
Datenschutz für Blogger – Statistik
Angezeigt wird oft auch „Google Analytics“, ein beliebtes und nützliches Statistik-Tool, mit dem ich als Blogger oder kommerzieller Websitebetreiber die Zahl der Zugriffe messen kann. Und erfahre, aus welchen Ländern die Nutzer auf meine Blogs zugreifen und vieles mehr. Die neue EU-Datenschutzverordnung verlangt, dass auch auf die Nutzung solcher Statistikwerkzeuge in der Datenschutzerklärung jedes Blogs und jeder Webseite hingewiesen wird.
Überraschung
Statt Google Analytics kommt in meinen Blogs „WordpressStats“ zum Einsatz, den entsprechenden Hinweis habe ich längst in den Datenschutzerklärungen der Blogs angebracht. Darüberhinaus sind auf meinen Seiten keine weiteren Tracker zu finden – dachte ich, bis ich dann eine jener Seiten aufrufe, in die ich ein „YouTube“-Video eingebettet habe.
Datenschutz für Blogger – Achtung Werbung !
Hier zeigt mir „Ghostery“ nun plötzlich den Werbe-Tracker „DoubleClick“ an. Dieser Tracker – mit dem schönen Slogan „das volle Potenzial digitalen Marketings ausschöpfen“ – gelangt offensichtlich allein über das Einbetten des YouTube-Videos auf die Seite. Ohne dass Besucher der Seite das Video überhaupt anklicken! Nun begreife ich, warum „YouTube“ es so gern hat, wenn wir Videos in unsere Seiten einbetten: wir bekommen ihre Filme, sie bekommen dafür per Tracker unsere Besucherdaten. Eigentlich auch ein fairer Deal – aber doch wohl nur, wenn die Nutzer diese Videos auch tatsächlich anklicken !
Eigentlich auch ein fairer Deal – aber doch wohl nur, wenn die Nutzer die Videos auch tatsächlich anklicken !
In meiner Datenschutzerklärung habe ich zwar vorsorglich auf „YouTube“ hingewiesen, aber ist diese Art des Trackings wirklich DSGVO-konform ?
Datenschutz für Blogger – Wildkräuter herausrupfen
Statt lange nachzudenken erfasst mich – wie zuletzt im Garten – nun wieder die Lust auf das große Rausreißen: kurzentschlossen entferne ich aus beiden Blogs sämtliche YouTube-Videos, lösche überall die Codes und lasse lediglich die Titel stehen. Diese verlinke ich neu, so dass die Besucher dann per Klick zu YouTube gelangen und erst dort – aber nicht mehr auf meinen Seiten ! – getracked werden.

Ein Tracker reicht
Zur Kontrolle rufe ich nun noch einmal jede meiner rund 100 Unterseiten in beiden Blogs einzeln auf und bin erleichtert, dass nach erledigter Arbeit im „Ghostery“-Fenster stets nur die „1“ aufleuchtet. Jetzt ist auf allen Seiten nur noch der WordPress-Statistik-Tracker aktiv, all das andere Datenunkraut habe ich erfolgreich herausgerissen !
Die erträgliche Folge: eine kleine geistige Zerrung, zum Glück nur im Kopf.

Im Garten