Ganz viel Pech
Zwei Dinge braucht ein Auto, damit es fahren kann: Treibstoff und Strom. Ist der Tank gefüllt und die Batterie geladen dreht man den Zündschlüssel und der Wagen springt an. Oder auch nicht. Meistens liegt dann ein Fehler in der Autoelektrik oder in der Kraftstoffversorgung vor. Solche Fehler werden normalerweise von einem Diagnosegerät angezeigt. Doch wenn man ganz viel Pech hat, liegt der Fehler im Relais 30. Was man zu diesem Zeitpunkt aber nicht weiß, denn genau dieser Fehler wird vom Diagnosegerät nicht angezeigt. Man würde ja gern Relais 30 reparieren oder austauschen, wenn man nur wüßte, dass es kaputt ist.
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Rückblende
Zu Beginn des Sommers 2014 muss der Pannenhelfer mit seinem gelben Wagen zum ersten Mal kommen. „Na, dann wollen wir mal den Fehlerspeicher auslesen – Nee, da ist anscheinend alles in Ordnung.“ Alles in Ordnung ? Von wegen.
„Na, dann wollen wir mal den Fehlerspeicher auslesen !“
Nun dreht der Mann noch kurz am Zündschlüssel – und das Auto springt an ! Nachdem ich eine Stunde lang in der heißen Mittagssonne vergeblich immer wieder versucht hatte, zu starten. „Fahren Sie aber lieber noch mit dem Wagen in die Werkstatt. Die haben bessere Diagnosegeräte und finden den Fehler bestimmt.“
Neuer Sensor
Der nächste Tag ist kühl und regnerisch. Mein Auto springt problemlos an und ich fahre zur „geführten Fehlersuche“ bei VW. Dort wird nach stundenlangen Tests aber kein einziger Fehler gefunden. Sicherheitshalber tauscht man einen Sensor. „An dem könnte es gelegen haben“, sagt der Mann im blauen Kittel. Für die geführte Fehlersuche zahle ich rund 500 Euro. Gut investiert, denn der Wagen springt jetzt wieder ohne Probleme an. Der Sensor war’s, bestimmt.
Schwerer Hammer
Doch einige Tage später, auf einem sonnigen Parkplatz vor dem Baumarkt, kann ich den Wagen wieder nicht anlassen. Erneut kommt ein Pannenhelfer in Gelb, diesmal ein älterer, erfahrener Mann. Er klopft mit dem Hammer hinten rechts unter das Auto. Nun soll ich den Zündschlüssel drehen. Tatsächlich springt der Wagen an. Ich schreie fast vor Glück. „War die Benzinpumpe“ sagt der alte Hase, „die sitzt fest. Lassen Sie die erneuern.“ Mit einem einzigen Hammerschlag an der richtigen Stelle das Problem gelöst – alle Achtung !
„Ist die Benzinpumpe“, sagt der alte Hase. „Sitzt fest.“
Am nächsten Tag startet der Wagen einwandfrei. Ich will in die Werkstatt, eine neue Benzinpumpe einbauen lassen. Doch dann, an einer größeren Kreuzung, direkt vor einer roten Ampel, geht der Motor aus und läßt sich auch nicht wieder starten. Die Ampel springt auf Grün, die Autos hinter mir hupen schon und ich gerate in Panik. Versuche immer wieder, den Motor zu starten, ohne Erfolg. Die Benzinpumpe hat vermutlich ihre letzte Umdrehung getan und der Wagen will nun gar nicht mehr anspringen.
Der Abschlepper
Mithilfe eines Fußgängers, der gerade vorbeikommt, kann ich das Auto schließlich in eine Parklücke am Straßenrand manövrieren. Dann rufe ich wieder die Pannenhelfer, die jetzt mit einem Abschleppwagen anrücken.
Kurz darauf erreichen wir die „Werkstatt meines Vertrauens“, wo noch am selben Tag eine neue Benzinpumpe eingebaut wird. Nun ist endlich alles gut und ich fahre erleichtert vom Hof. Doch nach wenigen Kilometern beginnt der Motor wieder zu stottern. Ich habe noch das Ampel-Erlebnis von heute morgen vor Augen und kehre schnell um. Die Werkstatt will gerade schließen und so muß ich den Wagen dort bis morgen zurücklassen. Mein Werkstattmeister will am nächsten Tag einen Autoelektrik-Experten hinzuziehen.
Der Ingenieur
Am nächsten Tag nimmt sich der Experte der Sache an. Ich darf dabei sein und erlebe, wie der Ingenieur mit verschiedenen Diagnosetools das Problem einkreist. Und am Schluß empfiehlt, zwei weitere Sensoren zu tauschen. Ich bezahle für beide Sensoren und für die Benzinpumpe – „Hätte sowieso mal erneuert werden müssen“ – noch einmal rund 500 Euro an die Werkstatt. Der Ingenieur bekommt ein separates Beraterhonorar. Nun ist endlich alles gut.
Genug ist genug
Doch nach ein paar Tagen will der Wagen wieder nicht anspringen. Mir wird klar, dass kein Pannenhelfer, kein Werkstattmeister und kein Autoelektriker dieses Problem jemals lösen wird. Und so fasse ich den Entschluss, nur noch selbst an diesem alten Auto herumzuschrauben. Kabel für Kabel, Bauteil für Bauteil werde ich es untersuchen. Bis der Fehler gefunden ist. Dazu schaffe ich ein * Diagnosegerät an, weitere Messgeräte, Werkzeuge, Schaltbilder und jede Menge Fachliteratur.
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*Hier eine Diagnosegerät bestellen
Die Entdeckung
Und dann geht auch alles ganz schnell: vorn im Motorraum, in einem schwarzen Kasten verborgen, finde ich die Ursache aller Störungen: Relais 30.
Mit der Drehung des Zündschlüssels schließt sich in diesem elektrischen Bauteil ein Kontakt und läßt den Batteriestrom zum Motorsteuergerät fließen. Damit erwacht das Auto zum Leben: die Benzinpumpe setzt sich in Gang und Kraftstoff gelangt über die Einspritzdüsen in die Brennkammern. Der Anlasser dreht die Kurbelwelle. Die Kolben verdichten das Gemisch, die Zündfunken bringen das Gas zur Explosion. DER MOTOR LÄUFT. Aber wenn dieses Relais defekt ist, bekommt das Motorsteuergerät keinen Strom und der Motor springt nicht an.

Blockschaltbild: Defektes Relais 30 und die Folgen
Fehlanzeige
Warum konnten die Pannenhelfer aber keinen Eintrag im Fehlerspeicher finden ? Der Fehlercode für ein defektes Relais 30 kann nicht im Motorsteuergerät gespeichert werden, denn wie im Blockschaltbild zu sehen: bei einem Defekt im Relais 30 bekommt das Motorsteuergerät keinen Strom und kann deshalb auch keinen Fehlercode speichern. Bei hitzebedingten Startproblemen sollte man also Relais 30 reparieren oder austauschen, auch wenn kein Fehler angezeigt wird.
Auf richtige Kontaktbelegung und Schaltstrom achten
Bei der Bestellung eines neuen Relais muss man unbedingt auf die richtige Belegung der Steckkontakte und auf den schaltbaren Strom achten: die originalen Relais 30 im VV Golf haben fünf Steckkontakte (oberes Bild) und sind für einen Schaltstrom von 30 Ampere ausgelegt. Es gibt dieses Relais aber auch mit nur 7.5 A Schaltstrom, darüberhinaus existieren auch noch eine identisch aussehende Ausführungen, die aber nur vier Kontakte haben (Bild unten). Diese Relais sind intern anders geschaltet und können nicht im Austausch verwendet werden.

Relais 30 mit 5 Kontakten

Relais mit vier Kontakten
Relais 30 reparieren – Kalte Lötstelle
Was hatte das ganze nun mit Sonnenschein, Hitze und Hammerschlägen zu tun ? Durch die hohen Ströme, die über den Relaiskontakt fließen, und die damit entstehende große Hitze im Relais, ist die gelötete Verbindung über die Jahre brüchig und zur „kalten Lötstelle“ geworden. Am Übergang zwischen Kontakt und Lötzinn hat sich ein feiner Spalt (rot eingekreist) gebildet.
Steigt nun im Motorraum die Temperatur, zum Beispiel in der prallen Sonne, verbreitert sich dieser Spalt. Dabei handelt es sich vielleicht nur um einige Mikrometer, aber irgendwann fließt an dieser Nahtstelle kein Strom mehr zum Steuergerät. Mit der Folge, daß sich der Motor nicht mehr starten läßt.
Kühlt das Relais dann wieder ab, im Schatten oder über Nacht, kann sich der Spalt in der Lötstelle wieder schließen. Das Gleiche bewirkte wohl auch der kräftige Hammerschlag des Pannenhelfers, wenn sich durch die Erschütterung die haarfeine Lücke im Lötzinn schließt.
Relais 30 reparieren
Mit dem *Lötkolben und reichlich Lötzinn konnte ich schließlich das defekte Relais 30 reparieren – am Ende eine ganz einfache Reparatur.
Ende gut, alles gut
„Ich dachte, da hätten wir gleich am Anfang nachgesehen… „
Der Werkstattmeister, der die Benzinpumpe ausgetauscht hatte, war von der Lösung des Rätsels übrigens nicht überrascht „Relais 30 ? Na klar kenne ich das. Aber, entschuldige mal bitte, Hans, ich dachte, da hätten wir gleich am Anfang nachgesehen… “
Nee, mein Lieber, hast Du nicht !